
Ein bayerisches Insolvenzverfahren
Verfahren bei der Staatsanwaltschaft (Az. 540 JS 27528/19) wegen des Vorwurfs der Verwertung fremder Geheimnisse
Hintergrund und Vorgeschichte
Thomas G. war als Geschäftsführer der AGP GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft ab 2012 wiederholt für die CourtTech GmbH & Co. KG tätig.
Im Jahr 2016 wurde AGP Consulting, ein Tochterunternehmen der AGP GmbH, mit 10 % an der CourtTech GmbH & Co. KG beteiligt.
Im Zuge eines Gesellschafterstreits im Jahr 2019 nutzte bzw. legte Thomas G. Unterlagen vor, die er im Rahmen seiner Beratungsmandate erhalten oder erstellt hatte. Diese Unterlagen stammten teils aus der Zeit vor dem Beteiligungseintritt 2016 und wurden in Zivilprozessen als Beweismittel gegen den damaligen Geschäftsführer und 80%-Gesellschafter verwendet. Dabei ist zu beachten, dass ein Wirtschaftsprüfer grundsätzlich zur Verschwiegenheit gegenüber seinen Mandanten verpflichtet ist und ohne deren Einwilligung keine Informationen weitergeben darf.
Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflichten
Ein konkretes Beispiel hierfür ist das im Dezember 2012 von AGP erstellte Gutachten📜. Dieses Gutachten wurde von Thomas G. in den anwaltlichen Schriftsätzen gegen den Geschäftsführer von CourtTech verwendet.
Dies führte zu dem Vorwurf, Thomas G. habe berufliche Verschwiegenheitspflichten verletzt und unbefugt vertrauliche Informationen („fremde Geheimnisse“) verwertet.
Strafanzeige und erste polizeiliche Ermittlungen
Daraufhin wurde am 26.07.2019 bei der Polizeiinspektion Traunstein Strafanzeige gegen Thomas G. wegen des Verdachts der Verwertung fremder Geheimnisse gestellt.
Zusammen mit dem Strafantrag wurden zwei Leitzordner mit insgesamt 572 Seiten Dokumentation übergeben. Zusätzlich wurde eine detaillierte, insgesamt 11-seitige Übersicht der einzelnen Vorgänge übergeben📜, in der jeder Vorgang genau beschrieben und den einzelnen Themen zugeordnet wurde.
In dieser Übersicht waren insbesondere die Schreiben markiert, die das Vorgehen des Wirtschaftsprüfers laut verschiedener Rechtsanwälte als äußerst zweifelhaft einstuften.
Erste Vernehmung und Weiterleitung an die Staatsanwaltschaft
Nach einer ersten Sichtung durch die Polizei wurde der Anzeigenerstatter am 02.08.2019 ausführlich als Zeuge vernommen.
Aus den Akten der Staatsanwaltschaft zu diesem Verfahren geht hervor, dass die Polizei ihre Erkenntnisse in einem Schlussvermerk vom 06.08.2019 zusammenfasste und die Unterlagen an die Staatsanwaltschaft Traunstein weiterleitete.
Im Schlussvermerk wurde der Verdacht geäußert, Thomas G. habe seine aus dem Beratungsverhältnis erlangten Kenntnisse unbefugt offengelegt.
Weitergabe und Einstellung des Verfahrens
Am 01.10.2019 teilte die Staatsanwaltschaft Traunstein📜 dem Anzeigenerstatter mit, dass das Verfahren an die Staatsanwaltschaft München II übergeben werde. Eine Kontaktaufnahme seitens der Staatsanwaltschaft München II mit dem Anzeigensteller erfolgte jedoch nicht.
Versuche, den Stand des Verfahrens zu erfragen
Im Januar 2020, etwa sechs Wochen nach seinem Umzug nach Italien, wandte sich der Anzeigenerstatter erneut an die Kriminalpolizei Traunstein, um sich nach dem aktuellen Stand des Verfahrens zu erkundigen.
Daraufhin erhielt er ein Schreiben mit Datum vom 21.01.2020📜, in dem weitere Fragen gestellt wurden. Dieses Schreiben wurde umgehend und ausführlich beantwortet📜, wobei erneut auf die bereits gegebenen Hinweise eingegangen wurde.
Mitteilung über die Einstellung des Verfahrens und Widersprüche im Verfahren
Von der zuständigen Staatsanwältin in diesem Verfahren erhielt der Anzeigenerstatter erstmals ein Schreiben, datiert vom 11.02.2020📜. Darin wurde ihm mitgeteilt, dass das Ermittlungsverfahren bereits mit Verfügung vom 21.01.2020 eingestellt worden sei, weil er zunächst für eine weitere Zeugenvernehmung nicht erreichbar gewesen und laut polizeilichen Erkenntnissen unbekannt verzogen war.
Verwunderlich erscheint, dass die Polizei dem Anzeigenerstatter am gleichen Tag noch Fragen stellte, während die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen Nichterreichbarkeit einstellte.
Die formale Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO ist datierte vom 16. Februar 2020📜.
Anfechtung der angeblichen Unerreichbarkeit
In mehreren Verfahren wurde die angebliche Nichterreichbarkeit des Anzeigenerstatters wegen seines Umzugs nach Italien als Entscheidungsgrundlage herangezogen. Aus Sicht des Anzeigenerstatters ist dies jedoch unzutreffend, da
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er sich ordnungsgemäß abgemeldet 📜 und seine neue Anschrift in Italien angegeben hatte.
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bei einem parallelen Verfahren gegen Gaebel wegen Betrugs➡️ gab es keinerlei Schwierigkeiten, dessen Anschrift zu ermitteln.
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die neue Anschrift von Gaebel in Italien in einem Beschluss des Insolvenzgerichts📜 bereits am 5. Dezember 2019 veröffentlicht wurde.
Anmerkungen
Aus Sicht des Anzeigenerstatters ergaben sich im Verfahren gegen den Wirtschaftsprüfer Thomas G. mehrere bemerkenswerte Punkte:
Unklare Gründe für die Verfahrenseinstellung
Trotz der Vorlage von zwei Leitzordnern (572 Seiten), einer detaillierten 11-seitigen Übersicht sowie verschiedener Schreiben mit Anhängen, in denen die mutmaßliche unbefugte Verwertung vertraulicher Informationen hervorgehoben wurde, verwies die Staatsanwaltschaft auf fehlende konkrete Beweise.
Verwendung eines Gutachtens aus dem Jahr 2012
Ein mögliches Beispiel für einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht ist das im Dezember 2012 von AGP erstellte Gutachten, das Thomas G. in anwaltlichen Schriftsätzen gegen den Geschäftsführer von CourtTech verwendete.
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft könnte der AGP Consulting GmbH die darin enthaltenen Informationen bereits bekannt gewesen sein, weil sie zum 30.05.2016 10 % der Anteile an der CourtTech GmbH & Co. KG erworben hatte.
Behauptete Nichterreichbarkeit
Die Einstellung wurde unter anderem damit begründet, dass der Anzeigenerstatter für eine weitere Zeugenvernehmung nicht verfügbar gewesen sei. Aus seiner Sicht ist dies unzutreffend, da:
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Er sich nach Italien umgemeldet und seine neue Anschrift rechtzeitig mitgeteilt hatte.
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Am 21. Januar 2020 ein Schreiben der Polizei mit weiteren Fragen an ihn versandt wurde, was seine tatsächliche Erreichbarkeit belegt.
Fazit
Diese Faktoren verstärken beim Anzeigenerstatter den Eindruck, dass mögliche Aufklärungsmaßnahmen nicht voll ausgeschöpft wurden, bevor die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellte.