
Ein bayerisches Insolvenzverfahren
Verfahren bei der Staatsanwaltschaft (Az. 240 Js 1999/20) gegen Gaebel wegen Betrug
Antrag auf Prozesskostenhilfe als Straftat – Überzogene Ermittlungen trotz geringer Beträge?
Das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft gegen Gaebel wegen Betrug zeigt, dass ein Antrag auf Prozesskostenhilfe als betrügerisch eingestuft werden kann – obwohl es sich um einen Betrag von knapp 870 Euro handelt.
Die Einschaltung der BaFin und ihr umfangreicher Bericht über Gaebels finanzielle Verhältnisse werfen die Frage auf, ob diese überzogene Reaktion im angemessenen Verhältnis zu diesem vermeintlichen Betrugsversuch steht.
Hintergrund und Vorgeschichte
Anfang Januar 2020 eröffnete die Staatsanwaltschaft Traunstein ein Ermittlungsverfahren gegen Gaebel wegen Betrugs. Den Ausgangspunkt bildeten zunächst Vorwürfe von Rechtsanwalt (RA) K. Im März 2020 folgte eine weitere Anzeige durch den Physiotherapeuten L., die sich auf eine unbezahlte Rechnung für eine medizinische Behandlung bezog.
Die Staatsanwaltschaft sah darin einen möglichen Betrug, da angeblich am 15. Juli 2019 ein Insolvenzverfahren gegen Gaebel persönlich eröffnet worden sei. Tatsächlich betraf das Insolvenzverfahren jedoch das Vermögen der CourtTech GmbH & Co. KG, nicht Gaebel als Privatperson.
Vorgeschichte zu RA K.
RA K. wurde ursprünglich von Gaebel beauftragt, ihn in Verfahren gegen Mitgesellschafter der CourtTech GmbH & Co. KG zu vertreten, insbesondere beim Antrag auf Prozesskostenhilfe.
Während seiner Tätigkeit leitete RA K. jedoch wichtige Informationen über Gaebels wirtschaftliche Verhältnisse nicht an das Gericht weiter, was zur Ablehnung des Antrags auf Prozesskostenhilfe führte.
Daraufhin beendete Gaebel die Zusammenarbeit, und es kam zu Streitigkeiten über sein Honorar. Diese Auseinandersetzung wurde vor dem Landgericht Traunstein (Az.: 1 HK O 1811/19) verhandelt und am 14. November 2019 mit einem Beschluss📜 beendet. Von der ursprünglichen Forderung in Höhe von 1.610,07 € wurden lediglich 868,50 € anerkannt.
Vorgeschichte zu Physiotherapeut L.
Die zweite Anzeige basierte auf einer am 26. Januar 2020 ausgestellten Rechnung, also Wochen nach Eröffnung des Verfahrens gegen Gaebel.
Da Gaebel zu diesem Zeitpunkt bereits keinen Zugriff mehr auf sein E-Mail-Konto hatte, konnte L. die Rechnung nicht zustellen.
Zum Zeitpunkt der Behandlungen war Gaebel privat krankenversichert, und die Versicherung hätte die Kosten übernommen. Da Gaebel allerdings erst durch ein Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 15. März 2021 von dieser Rechnung erfuhr, hatte seine private Krankenversicherung – deren Vertrag zum 31. Dezember 2019 wegen seines Umzugs nach Italien endete – die Erstattung verweigert.
Gaebel beglich die Rechnung, nachdem er von der Forderung Kenntnis erhielt.
Ermittlungsschritte
Auskunftsersuchen an die BaFin
Laut Ermittlungsakten war die erste Aktion der Staatsanwaltschaft im Januar 2020 ein Auskunftsersuchen an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Die BaFin übermittelte am 25. März 2020 eine 50 Seiten umfassende Auskunft gemäß § 24c Kreditwesengesetz über Gaebel an die Staatsanwaltschaft.
Ermittlungen der Polizeiinspektion Traunstein
Mit Verfügung vom 31. März 2020 wurde die Polizeiinspektion Traunstein von der Staatsanwaltschaft Traunstein erstmals mit der Durchführung der erforderlichen Ermittlungen wegen Betrugs beauftragt.
Der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, der für die CourtTech GmbH & Co. KG tätig war, wurde von den ermittelnden Behörden angeschrieben, um Details zu Gaebels damaligem Einkünfte zu erfahren.
Dieser übermittelte daraufhin umgehend ausführliche Informationen zu dessen Einkünften.
Die Ermittlungsbehörden stellten fest, dass Gaebel im Mai 2019 noch ein monatliches netto Einkommen von 9.000 EUR bezogen hatte.
Vorläufige Einstellung
Am 06. Mai 2020 wurde das Verfahren laut Akten zunächst eingestellt, da sich laut Staatsanwaltschaft Gaebel im Ausland befand und nicht vernommen werden konnte. Eine offizielle Benachrichtigung an ihn unterblieb zu diesem Zeitpunkt.
Wiederaufnahme und Einstellung des Verfahrens
Am 15.03.2021 informierte die Staatsanwaltschaft📜Gaebel schließlich erstmals darüber, dass ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs anhängig sei.
Ein neu beauftragter Rechtsanwalt nahm am 06. Mai 2021 Stellung zu den Vorwürfen.
Daraufhin stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren am 14.05.2021 endgültig ein.
Anmerkungen
Mehrere Aspekte hinsichtlich der Ermittlungen und der Verfahrensführung durch die Staatsanwaltschaft Traunstein sind besonders hervorzuheben:
Überzogene Ermittlungen trotz geringem Streitwert
Trotz eines Betrags von unter 1.000 € setzte die Staatsanwaltschaft weitreichende Maßnahmen in Gang, wie ein Auskunftsersuchen an die BaFin und umfangreiche Ermittlungen.
Aus Sicht des Anzeigenerstatters stellt sich die Frage, ob diese Reaktion in einem angemessenen Verhältnis zu einem vermeintlichen Betrugsfall steht, der sich im Kern auf die Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags sowie eine unbezahlte medizinische Rechnung bezieht.
Einsatz der BaFin
Bereits im Januar 2020 wandte sich die Staatsanwaltschaft an die BaFin, die daraufhin einen 50-seitigen Bericht über Gaebels finanzielle Verhältnisse vorlegte.
Diese Vorgehensweise erweckt den Eindruck, dass der Behördenapparat unverhältnismäßig stark in Anspruch genommen wurde, obwohl der zugrunde liegende Sachverhalt vergleichsweise überschaubar war.
Fehlender Hinweis auf echtes Insolvenzverfahren
Ausgangspunkt der Vorwürfe war die Annahme, gegen Gaebel persönlich sei bereits 2019 ein Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Tatsächlich betraf das Verfahren jedoch die CourtTech GmbH & Co. KG.
Dass dieser Umstand nicht von vornherein geklärt wurde, lässt Zweifel an der Sorgfalt der Vorermittlungen aufkommen.
Unterbliebene Benachrichtigung bei vorläufiger Einstellung
Am 06. Mai 2020 wurde das Verfahren zunächst eingestellt, angeblich wegen Gaebels „Abwesenheit im Ausland“.
Eine offizielle Mitteilung erhielt er jedoch nicht. Erst am 15. März 2021 wurde er über die Existenz des Verfahrens informiert.
Fazit
Aus Sicht des Anzeigenerstatters verdeutlicht das Verfahren einmal mehr, wie schnell selbst Bagatellbeträge in umfangreiche Ermittlungen münden können.